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Nordmanntannen – Klettern für den Weihnachtsbaum

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Zwei Wochen vor Heiligabend läuft der Weihnachtsbaumverkauf auf Hochtouren. An jeder Straßenecke und vor den Bau- und Supermärkten stehen die Bäume potentiellen Käufern Spalier. Absoluter Weihnachtsbaumliebling ist die Nordmanntanne, deren Samen unter lebensgefährlichen Arbeitsbedingungen in Georgien geerntet werden.

Von Nordmann keine Spur

Anders als ihr Name vermuten lässt, kommt die Nordmanntanne nicht aus Skandinavien, sondern aus den dichten Wäldern Georgiens und der Kaukasusregion. Sie wächst in Höhen von 900–2100 Metern und ist nach dem finnischen Botaniker Alexander von Nordmann (1803–66) benannt, der sie 1838 in der Nähe von Borchomi, dem heutigen Georgien, entdeckte.

Wenig bestechend

Foto: Ninukala via photopin cc

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Heute sind über 70% aller verkauften Bäume „Nordmänner“. Fragt man Verbraucher nach den Gründen für ihre Kaufentscheidung, sind es in der Regel drei Argumente, die für diesen Baum ins Feld geführt werden: er hat dichte Äste, hält lange und pikst nicht. Vorzüge, die sich auch im Preis niederschlagen. Zwischen 16 und 22 Euro kostet die Nordmanntanne pro Meter, deutlich mehr als Blau- und Rotfichten. Ein Preis, der längst nicht hoch genug erscheint angesichts der Bedingungen, unter denen die Samen für den Baum geerntet werden.

Klettern im Akkord

Rund zwei Wochen lang dauert die Ernte der Tannenzapfen. In diesem schmalen Zeitfenster müssen die Bäume abgeerntet werden. Fängt man zu früh an, sind die Samen nicht reif, ist man zu spät dran, öffnen sich die Zapfen und der Wind trägt einen Teil des wertvollen Gen-Materials mit sich fort. Obwohl der Job lebensgefährlich ist, mangelt es nicht an Dorfbewohnern und Wanderarbeitern, die bereit sind, in die Wipfel der Tannen zu klettern. Regelmäßig kommt es vor, dass Zapfenpflücker abstürzen und sich dabei schwer verletzen oder sogar sterben.

Wipfel treffen

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Die meisten Arbeiter klettern ohne Sicherheitsausrüstung. Weder Helm noch Klettergurt schützen sie bei einem Absturz aus schwindelerregender Höhe. Nicht immer liegt das daran, dass der Arbeitgeber keine Ausrüstung stellt. Manchmal verzichten die Arbeiter von sich aus auf den Gurt, weil das Auf- und Absteigen an der Tanne damit länger dauert, als ohne ihn. Häufig genug klettern sie überhaupt nicht hinunter, um am nächsten Baum wieder emporzusteigen. Stattdessen schwingen sie auf den fingerdünnen Zweigen im Wipfel vor und zurück und springen dann direkt in den Nachbarbaum. Das spart Zeit, ist manchmal aber tödlich.

Das Zapfengeschäft

Die Baumkletterer pflücken die Zapfen und werfen sie zu Boden, wo andere Arbeiter sie aufsammeln und in Säcke verpacken. Der Lohn für ihre Arbeit schwankt und ist abhängig vom Arbeitgeber, der Qualität der Samen und der Pflückleistung. Häufig muss ein Pflücker von diesem Lohn das Jahr hindurch leben. Andere Arbeit ist in dieser Region Georgiens rar. Das Geschäft machen die deutschen und dänischen Samenhändler, die vom georgischen Staat Pflücklizenzen gekauft haben, die in der Regel für zehn Jahre vergeben werden. Bereits die getrockneten Samen werden für ein Vielfaches dessen gehandelt, was der Pflücker für sie bekommen hat. Und der Preis steigt weiter mit jedem Zwischenhändler und Verarbeitungsschritt. Ein lukratives Geschäft, das nicht nur Schwarzpflücker in die Wälder treibt, sondern anscheinend auch reichlich Gelder in die Taschen derjenigen spült, die für die Vergabe der begehrten Lizenzen zuständig sind. Von Korruption und Mafia-Methoden ist die Rede.

Oh Tannenbaum

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Bis die Nordmanntanne im heimischen Wohnzimmer steht, vergehen Jahre. Die Samen aus den Zapfen werden mehrere Monate getrocknet und anschließend in deutschen oder dänischen Baumschulen zum Keimen gebracht. Die Setzlinge haben nun zwei bis drei Jahre Zeit, sich zu entwickeln, bevor sie auf großen Weihnachtsbaumplantagen zur Verkaufsgröße gezogen werden und schließlich in den Handel kommen. Seit dem Pflücken sind bis dahin sieben bis zehn Jahre vergangen.

Wer sich jetzt auf den Weg macht, einen Weihnachtsbaum zu kaufen, muss selbst entscheiden, was er kauft. Fakt ist, dass Nordmanntannen bis auf wenige fair gehandelte Bäume, unter erschreckenden Bedingungen produziert werden. Angesichts dessen ist es vielleicht eine Überlegung wert, auf eine andere Baumsorte zurückzugreifen. Mein Favorit ist seit Jahren die Blaufichte. Ihre Nadeln stechen zwar, dafür duftet sie herrlich weihnachtlich, sobald sie ins Warme kommt.

Steckbrief:

Nordmanntanne (Abies nordmanniana)

Ursprung: Türkei, Georgien, Nordkaukasus.

Höhe: bis zu 60 Meter, langsamer Wuchs (2 Meter Höhe nach 8–10 Jahren)

Aussehen: dunkelgrüne Nadeln, sehr gerade Wuchsform

Blüte: Mai

Ernte: Ende September bis Oktober

Besondere Merkmale: dichte, nicht stechende Nadeln, sehr sturmfest

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Autor: Karolin Küntzel

Jahrgang 1963, ist freiberufliche Autorin, Dozentin und Kommunikationstrainerin. Sie studierte Germanistik, Geschichte und Weiterbildungsmanagement in Berlin und war lange Zeit in der freien Wirtschaft tätig. Seit 2006 ist sie selbstständig, unterrichtet und schreibt Sachbücher für Kinder und Erwachsene. Ihre Wissbegier hat sie quasi zum Beruf gemacht. Sie lebte mehrere Jahre alleine in einem Haus im Wald, mehrere Wochen mit einer kleinen Crew auf einem Schiff auf dem Atlantik und bezeichnet sich selbst als überzeugte Rausgängerin. Sie sieht gerne unter Steinen nach. Mehr Infos unter: www.karibuch.de

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