Im neuen Buchprojekt geht es um Wildpflanzen. Es geht auch um Tiere, aber an dieser Stelle der Liste bin ich noch nicht angekommen. Also wühle ich mich durch Informationen über Korbblütler oder wilde Orchideen, von denen ich anschließend hoffe, dass ich sie gut als Sachtext verpacken kann. Und mittendrin bin ich immer wieder überrascht, was Pflanzen alles können, wenn es darum geht, sich zu vermehren. Ein Beispiel für eine superclevere Strategie, zeigt sich beim Salbei. Die Blätter kennen wir ja alle aus dem Gewürzregal. Aber das eigentlich Coole am Salbei sind seine Blüten. Darum geht’s heute.
Der Wiesensalbei gehört zu den Lippenblütlern und tatsächlich hat seine Blüte eine Oberlippe und eine Unterlippe. Da hat sich die Evolution ja mal was ganz Schlaues ausgedacht! Die obere Lippe ist nämlich nur dazu da, das Innenleben der Blüte zu schützen. Unter der Blütenlippe verbergen sich nämlich die Staubblätter und der Griffel. Ihr erinnert euch? Die Staubblätter sind die Gebilde an der Blume, die den Pollen freisetzen. Bei Tulpen fällt das schon in der Blumenvase auf: wenn die Köpfe herunterhängen, staubt es auf dem Tisch. Das ist der Pollen, der herunterrieselt.
Der Griffel hingegen ist der Teil der Blüte, der eigentlich nur auf Pollen wartet, um befruchtet zu werden. Gerne darf dieser von einer anderen Pflanze stammen.
Doch wie kriegt man den Blütenstaub von einer Salbeipflanze zur anderen? Genau: man lässt ihn einfliegen.
Genau dafür ist die Unterlippe der Salbeiblüte da. Nicht zum Fliegen natürlich. Aber sie dient als Landeplatz für Insekten, vor allem Hummeln. Die haben nämlich schon kapiert, dass es beim Salbei süßen Nektar zu holen gibt. Und Hummeln wissen auch, dass man nicht zimperlich sein darf, um da heranzukommen. Der Nektar des Salbeis befindet sich sehr tief hinten in der Blüte. Wie praktisch also, dass man so bequem auf ihr landen kann.
Eine Hummel kriecht über die Blüten-Unterlippe in die Blüte hinein und zwängt sich dabei an einer kleinen festgewachsenen Sperre vorbei. Wenn das passiert, klappt automatisch die Oberlippe der Salbeiblüte nach unten und drückt die pollenbestäubten Staubblätter in den Hummelpelz.
Klettert die satte Hummel aus der Blüte und fliegt weiter, nimmt sie den Pollen mit und transportiert ihn zur nächsten Salbeipflanze. Dort geht das Ganze dann von vorne los. Die Hummel zwängt sich in die Blüte, der Salbei klappt seine Blütenlippe nach unten und drückt den Griffel in den Pollen von nebenan. Bestäubung geglückt. Dieser Hebelmechanismus ist doch wirklich irre, oder? Manchmal ist die Natur echt gut organisiert.
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9. Juli 2019 um 9:20
Wunderbar beschrieben, liebe Johanna!
Ja, die Natur ist schon einfallsreich und faszinierend. Vielen Dank an euch beide, dass ihr sie immer wieder so toll erklärt!