Früher, als ich Kind war, fuhren wir mit der ganzen Familie zum Ende des Sommers auf die Gatower Rieselfelder. Im Kofferraum Waschkörbe und ähnlich große Behälter, in die fünf Paar Hände die schwarzen Holunderdolden sammelten. Die Ausbeute der Aktion verfrachtete mein Vater wieder in den Wagen und zurück ging es “in die Stadt“ zum zweiten Akt der Holunderei. In der Badewanne und im Waschbecken schwammen sich die dunklen Früchte frei von Krabbeltier und Spinnennetz, bevor sie im Entsafter ihr Bestes geben durften. Einiges habe ich dabei gelernt:
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Die kleinen Beeren vom Stiel zu lösen macht man nur einmal. Der Saft schmeckt hinterher genauso gut, wenn die Dolden im Ganzen verarbeitet werden.
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Holunder färbt: Finger, Tischdecken und Holzlöffel sowieso. Einiges für Tage, anderes für immer.
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Wenn du andere für eine Sache begeistern willst, versorge sie mit allen nötigen Informationen. Ein Freund der Familie ließ sich von der väterlichen Holunderlust anstecken, probierte die Beeren allerdings roh – mit durchschlagendem Erfolg. Auch 50 Jahre später wird diese Geschichte noch gerne auf den väterlichen Geburtstagspartys zum Besten gegeben. So vielleicht auch heute. Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, Papa!
Als ich nun vor ein paar Tagen auf Usedom unterwegs war, begegnete mir ein Schild auf dem Orts- und Naturlehrpfad Zempin mit dem Titel Kleine Urlaubsnaschereien. Unter anderem fand sich darauf ein Rezept für einen Holundersekt. Für jemanden, der seit Jahrzehnten weiß, wie man Holundersuppe mit Grießklößchen kocht, unter Umständen eine Bereicherung.
Holundersekt
3 Dolden Holunderblüten (früh morgens geerntet), 1 große Zitrone, 25 g fünfprozentigen Weinessig, 500 g Zucker,. 6 Liter Wasser. Die Dolden in einen Steinguttopf legen und mit 3 Litern kochendem Wasser übergießen. Zucker in dem restlichen Wasser lösen, Zitrone in Scheiben und den Weinessig hinzufügen. Umrühren und anschließend eine Stunde ziehen lassen. Dann zu den Holunderblüten geben, umrühren und abschmecken. Topf fest verschließen und drei Tage ins Warme stellen. In Flaschen abfüllen, fest verkorken und 14 Tage warten. Dann sollte der Sekt genussfertig sein und einen Alkoholgehalt von ca. 0,8 Vol% haben.
Na, dann mal Prost!
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24. September 2014 um 14:29
Da es in meiner Kindheit bei uns zu Hause weder Holundersaft, noch Holundertee, noch Fliederbeersuppe gab, kamen diese Früchte auf meinem persönlichen Speiseplan überhaupt nicht vor. Angeregt durch diesen Artikel, trieb es mich hinaus zum Holunderbeeren pflücken. Jetzt stehen in meinem Keller viele, viele Gläser mit köstlichem Fliederbeer-Gelee! Danke für die Anregung!
Liebe Grüße
Barbara
24. September 2014 um 18:21
Liebe Barbara,
dass der Artikel derart animierend ist – wer hätte das gedacht. Ich freue mich sehr darüber und wünsche dir eine leckere Zeit mit dem Gelee.
Viele Grüße
Karolin Küntzel