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Natur und so

Forschen mit Rehspucke

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Foto: pixabay.com

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Unser heutiger Blogbeitrag fällt in die Kategorie “Verrückte Dinge, die Naturforscher machen”. Ich bin nämlich über eine Studie gestolpert, für die gleich mehrere Institute zusammengearbeitet haben und die wirklich skurril ist. Beteiligt waren: Der Biologiezweig der Uni Leipzig, das Institut für Zoo- und Wildtierforschung in Berlin und das Max Planck Institut für chemische Ökologie in Jena. Wenn Ökologie, die Zusammenhänge in der Natur beschreibt, dachte ich, was ist dann bitte chemische Ökologie? Natürlich geht es darum, wie bestimmte Substanzen in der Umwelt wirken, aber ich hätte nie gedacht, dass man da Dinge mit Rehspucke erforscht. Ihr habt euch nicht verhört: Rehspucke.

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Könnt ihr euch an unseren Artikel über Akazien und Giraffen erinnern? Da ging es darum, dass Akazienbäume es irgendwie merken, wenn eine Giraffe an ihnen knabbert und dann Gegenmaßnahmen ergreifen. Auch in unseren Wäldern spielen sich ähnliche Szenen ab. Rehe streifen durch den Wald und zwicken von jungen Baumsprösslingen die Spitze ab. Die Knospe, die ganz oben sitzt schmeckt nämlich besonders süß. Ist ja auch klar: für das Wachstum sind hier besonders viele zuckrige Nährstoffe eingelagert. Bei der Studie ging es jetzt darum, herauszufinden, ob junge Bäume bei uns auch merken, wenn ein Reh an ihnen knabbert – und was die dann machen.

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Jetzt kann man als Forscher den Rehen ja schlecht hinterherlaufen und dann die angeknabberten Bäume befragen. Also muss man sich eine Methode ausdenken, die zwar genauso funktioniert, wie ein echtes Reh, aber einfacher zu bewerkstelligen ist. In diesem Fall sah das so aus: Die Forscher suchten sich kleine Bäume und schnitten die oberste Knospe ab. Dann träufelten sie Rehspucke auf die Spitze. Anschließend warteten sie ein paar Stunden und kappten dann einen Zweig von der Seite, der später auf seine Inhaltsstoffe hin analysiert wurde. Muss das ein cooler Arbeitsplatz sein, bei dem man auf die Frage “Was machst du denn beruflich?” antworten kann “Ich tue so, als sei ich ein Reh.”

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Und was ist rausgekommen? Das ist wirklich spannend. Junge Buchen machen es offenbar so wie die Akazie und bilden Stoffe, die schlecht schmecken und Rehe abschrecken sollen. Junge Ahornbäume setzen dagegen eher auf Schnellwachstum: Fehlt ihnen die Spitze und sind sie besabbert, scheinen sie sich besonders anzustrengen, um wenigstens den Rest der Zweige möglichst groß werden zu lassen und schütten dafür bestimmte Substanzen aus. Natürlich gab es bei diesem Experiment auch den Gegentest, also Bäumchen, die nur beschnitten, aber nicht mit Rehspeichel beträufelt wurden. Und siehe da: Ein Baum erkennt offenbar, ob ihn ein Reh angekaut hat, oder ob bloß ein Sturm die oberste Knospe abgeknickt hat.

Guckt doch beim nächsten Waldspaziergang mal genau hin. Vielleicht wachsen ja auch in eurer Gegend Minibäumchen ohne Knospe an der Spitze. Dann war da wohl ein Reh dran.

Wen die Studie im Original lesen möchte, findet sie hier:

Bettina Ohse et al, Salivary cues: simulated roe deer browsing induces systemic changes in phytohormones and defence chemistry in wildgrown maple and beech saplings, Functional Ecology (2016).

Eine deutsche Zusammenfassung hat Annegret Faber für den Deutschlandfunk gemacht: Ahorn und Buche erkennen Rehe am Speichel.

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Autor: Johanna Prinz

ist promovierte Diplom-Biologin. Sie war früher Affenforscherin im Zoo, leitete den Bildungsbereich in einem großen Naturkundemuseum und danach ein Nationalpark-Haus am Wattenmeer. Heute arbeitet sie, von ihrer Wahlheimat Lübeck aus, im Bereich „Naturvermittlung“ – vor allem als Museumsberaterin oder Autorin für Kindersachbücher. Manchmal hebt sie Regenwürmer von der Straße auf. Mehr Infos unter: www.naturvermittlung.de

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