Ich gebe es zu: Bei solch tollen Namen geht meine Phantasie sofort mit mir durch. Die Krause Glucke könnte zum Beispiel ein völlig zerzaust aussehendes, aber preisgekröntes Rassehuhn sein. Oder die Nachbarin meiner Freundin, Frau Krause, die ihre Tochter auch mit 11 Jahren noch nicht alleine zur Schule gehen lässt. Eine hochtoupierte Frisur, kreiert für die Mailänder Modeschau, wäre ebenso denkbar wie ein gurgelndes Bächlein mit vielen Windungen. Was denkt ihr?
Waldbewohner
Die Krause Glucke (Sparassis crispa) ist ein parasitärer Pilz und gehört zur Familie der Gluckenverwandten. Sein Lebensraum ist der Wald, wo man ihn vorzugsweise am Fuß von Nadelbäumen wie Kiefern, aber auch am Stamm von Lärchen, Fichten und Douglasien findet. Dort nutzt er Verletzungen des Baumes, um einzudringen und ihn bis hin zur Braunfäule (einer Holzkrankheit, bei der das Holz weich wird und sich dunkelbraun färbt) zu schädigen. Der Pilz ist ein sogenannter Saprobiont (griechisch sapros, faul, verfault), das heißt, er ernährt sich von toter Materie, in diesem Fall dem abgestorbenen Holz. Zu ihrem Namen kam die Krause Glucke aufgrund ihres Aussehens. Kurzsichtige Menschen wie ich könnten sie durchaus für ein hockendes Hühnchen halten. Die cremeweiße bis gelbe Farbe und die rundliche Form erinnern aber auch stark an einen Badeschwamm. Der Fruchtkörper besteht aus zahlreichen Verästelungen mit vielen welligen, krausen „Blättern“ und erscheint überwiegend im frühen Herbst. Er wird bis zu 40 Zentimeter breit und kann sage und schreibe fünf Kilogramm schwer werden.
Essen für elf
Von solch einem Riesenpilz kann eine Großfamilie satt werden. In der Tat ist die Krause Glucke ein schmackhafter Speisepilz, sofern man ihn im weißen bis goldgelben Stadium verputzt. Er schmeckt leicht nussig und hat eine feste knorpelige Konsistenz. Wer Morcheln mag, wird ihn lieben. Auch die Zubereitung ist denkbar einfach. Kleingeschnitten mit Speck und Zwiebeln in der Pfanne anbraten, fertig. Dazu passt Rührei, Kartoffeln oder einfach Brot. Vorher müsst ihr dem Zausel allerdings gründlich die Windungen ausputzen, denn dort haben es sich Waldboden, Tannennadeln und Käferchen gemütlich gemacht. Die einen schwören dabei auf reichlich Wasser und Brauseschlauch, andere lehnen die Verwendung von Wasser grundsätzlich ab und fegen den Pilz mit Pinselchen aus. Ich habe meine Glucken immer gewaschen und dem Geschmack hat es meiner Meinung nach nicht geschadet.
Glucken gucken
Ich habe zwar dieses Jahr noch keine Glucke gefunden, werde aber sicher bei meinem nächsten Waldspaziergang die Augen aufsperren. Vielleicht macht ihr das auch. Und wenn ihr Glück habt und eine findet, schneidet sie nicht zu tief ab und merkt euch die Stelle. Dann könnt ihr im nächsten Jahr zielgerichtet ernten gehen, denn die Glucke ist sehr standorttreu und erscheint oft jahrelang am selben Ort.
Hinweis: Die Texte und Fotos in diesem Blog dürfen nicht als Referenz für Pilzbestimmungen genutzt werden. Auch als Grundlage für das Sammeln wilder Pilze oder das Abschätzen ihrer Essbarkeit sind sie nicht geeignet.
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