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Napfschnecken: Klammerkünstler mit Eisenzähnen

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Foto: K. Küntzel

Foto: K. Küntzel

Als wir im letzten Sommer in Norwegen waren, fanden wir an den Felsen zahlreiche Napfschnecken. Wie kleine Hütchen saßen sie auf dem Stein, oft in Gesellschaft von Seepocken. Natürlich wollte ich wissen, wie sie von unten aussehen. Abnehmen ließen sie sich aber nicht. Inzwischen weiß ich auch, warum.

Nachts über Felsen schlurfen

Gemeine Napfschnecken (Patella vulgata), so habe ich bei meiner Recherche gelernt, sind sehr interessante Geschöpfe. Sie leben an den Felsküsten Westeuropas, gerne in den Gezeiten- und Brandungszonen. Die nachtaktiven Tiere wandern im Schutz der Dunkelheit über die Felsen, um die dort anhaftenden Algen abzugrasen. Hört sich an, als wäre von Kühen die Rede? Tatsächlich sind Napfschnecken sogenannte Weidegänger, der Vergleich ist also nicht vollkommen abwegig.

Foto: K. Küntzel

Foto: K. Küntzel

Napfschnecken haben einen festen Weidegrund, den sie gegen andere Patella und Konkurrenten verteidigen. Nach der Nahrungsaufnahme kehren sie an ihren alten Standort zurück. Auf ihrem Weg über die Felsen hinterlassen sie, wie andere Schnecken auch, eine schleimige Spur. An ihr orientieren sie sich und wissen so immer, welche Bereiche am Felsen sie bereits ‘leergefuttert’ haben. Der Schleim hat aber noch eine zweite Funktion. Er bietet beste Voraussetzungen für die Neuansiedlung von Algen. Ganz schön clever!

Eisenharte Zähne

Man mag es kaum glauben, aber Napfschnecken haben Zähne. Sogar außergewöhnlich harte Zähne wie Wissenschaftler der University of Portsmouth kürzlich festgestellt haben. Kein anderes Biomaterial ist stärker als ein Napfschneckenzahn, fanden sie heraus. Untersucht und verglichen hatten sie die Zugfestigkeit der Zähne. Nicht einmal Spinnenseide, bisher unangefochten der Rekordhalter unter den biologischen Materialien, konnte da mithalten.

Dabei sind die Zähnchen nur ungefähr einen Millimeter groß. Sie befinden sich auf der Raspelzunge der Schnecke, der Radula. Angeordnet sind sie in bis zu 200 horizontalen Reihen, auf denen insgesamt über tausend Zähne Platz finden können. Damit verfügt die Napfschnecke über ein äußerst effektives Werkzeug zum Abkratzen von Felsen.

Goethes Mineral

Aber was macht die Zähne so hart? Eisenerz oder genauer gesagt Goethit. Das eisenhaltige Mineral ist nach dem Dichter und Naturwissenschaftler Johann Wolfgang von Goethe (1749–1843) benannt. Die Schnecken nehmen es beim Abschaben der Felsen auf und lagern es in die Fasern der Zähne ein. Jeder einzelne Zahn besteht aus sehr vielen, extrem dünnen Nanofasern. Durch sie bekommen die Beißerchen ihre hohe Festigkeit.

Schön feste klammern

Neben den bemerkenswerten Zähnen ist es die Klammerkraft der Napfschnecken, die sie zu etwas Besonderem macht. Bis zu 15 Kilogramm Zugkraft können sie aushalten, bevor sich ihr Saugfuß von der Unterlage löst. Mit der bloßen Hand ist es deshalb schwierig, sie von ihrem Standort zu entfernen, zumal sie durch Drehen der Schale kleine Kuhlen in den Felsen graben, die sie noch besser schützen. Weil selbst die stärksten Wellen keins der Näpfchen lösen, wundert es nicht, dass mein zaghafter Versuch scheiterte. Bei meinem nächsten Norwegenurlaub besuche ich ‘meine’ Napfschnecke vielleicht, denn sie müsste ja eigentlich noch an Ort und Stelle sein.

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Autor: Karolin Küntzel

Jahrgang 1963, ist freiberufliche Autorin, Dozentin und Kommunikationstrainerin. Sie studierte Germanistik, Geschichte und Weiterbildungsmanagement in Berlin und war lange Zeit in der freien Wirtschaft tätig. Seit 2006 ist sie selbstständig, unterrichtet und schreibt Sachbücher für Kinder und Erwachsene. Ihre Wissbegier hat sie quasi zum Beruf gemacht. Sie lebte mehrere Jahre alleine in einem Haus im Wald, mehrere Wochen mit einer kleinen Crew auf einem Schiff auf dem Atlantik und bezeichnet sich selbst als überzeugte Rausgängerin. Sie sieht gerne unter Steinen nach. Mehr Infos unter: www.karibuch.de

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