Auf einer langen, langweiligen Bahnfahrt griff ich zum Reisemagazin der Bahn, das vor mir in der Sitztasche steckte. Darin erzählen zum Beispiel Leute, die man kennt oder kennen sollte, davon, wie sie Bahn fahren. Auch nicht so spannend. Interessant war dann aber eine Seite, die mit „Besser wissen“ überschrieben war und sich mit dem Thema Frühling befasste. Bäume kann man glucksen hören, las ich.
Blogbeitrag dachte ich und nahm die Seite kurzerhand mit.
Wenn die Säfte schiessen
Abgebildet war ein Eichhörnchen mit einem Stethoskop, das mit diesem Hörgerät an der Wasserader eines stilisierten Baumes lauscht. Lässt man das Eichhörnchen mal außen vor, bleibt die Frage: Kann man mit einem Hörgerät oder sogar durch bloßes Ohranlegen hören, wie die Flüssigkeit von den Wurzeln des Baumes durch den Stamm bis in die Krone befördert wird? Man kann! Und das sagen nicht nur esoterisch angehauchte Kräuterweiblein und -männlein, sondern auch namhafte Umweltorganisationen wie der NABU. Die länger werdenden Tage im Frühling „wecken“ die Bäume aus ihrer Winterruhe. Damit sie Blätter treiben können, schießt in dieser Zeit das Wasser mit großem Druck durch die Leitungsbahnen. Ungefähr 70 Liter Flüssigkeit transportiert beispielsweise eine Birke im Frühjahr täglich von unten nach oben. Zu keiner Zeit des Jahres ist der Druck im Stamm höher. Und das ist hörbar.
Selbstversuch
Zugegeben, ich komme mit ein wenig lächerlich vor, wie ich da so mit dem Ohr an der Rinde neben dem Baum stehe und lausche. Ich höre die Vögel singen und im alten Laub rascheln, den vorbeifahrenden Bus und eine zuschlagende Autotür. Den Saft höre ich nicht. Das kann daran liegen, dass mein Baum noch schläft oder an der dicken Rinde, die ihn schützt. Eichen lassen sich vielleicht nicht so einfach belauschen. Versucht es mit einer Birke. Sie hat einen glatten Stamm, nicht so dicke Borke und fühlt sich an der Wange seidig an. Ein wahrer Ohrschmeichler! Kann sein, ihr wollt dann gar nicht mehr weg. Wenn ihr ein Stethoskop habt, probiert es damit und berichtet mir. Welchen Baum habt ihr belauscht und was war zu hören? Begeistert wäre ich auch von Fotos, auf denen Baum-lauschende Menschen zu sehen sind.
Also nichts wie raus mit euch! Der Frühling ist da!
Autorin: Karolin Küntzel
PS: Liebe Nach-mir-Reisende, falls ihr in eurem Bahn-mobil die Seite 20 vermisst habt, meldet euch. Ich liefere die Inhalte nach.
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6. April 2016 um 16:08
Moin,
davon, dass man den Flüssigkeitsstrom im Frühjahr in Bäumen hören kann, habe ich schon öfter gelesen, sogar beim “Waldflüsterer” 😉 Peter Wohlleben. Und vor ein paar Tagen habe ich es endlich mit einem Stethoskop ausprobiert. Leider habe ich nichts gehört, was passen könnte, nur andere Geräusche, die ich auch hörte, wenn das Stethoskop nicht an der Rinde anlag… ich habe es bei unserem Pflaumenbaum, beim Apfel und bei der Kirsche ausprobiert und am Herrenteich auch noch bei Birke, Rotbuche und Ahorn – nichts, leider. Ich bin ganz schön enttäuscht und würde natürlich zu gerne wissen, was ich evtl. falsch gemacht habe. Falls ihr etwas dazu hören solltet, bin ich sehr interessiert daran.
Viele frühlingshafte Grüße
Eike
6. April 2016 um 16:42
Liebe Eike,
danke für deinen Bericht. Hmmh! Woran es liegt, dass du selbst mit Stethoskop nichts erlauschen konntest, kann ich dir leider nicht sagen. Wenn ich nichts höre, stelle ich auch immer nur Vermutungen an. Die Umgebung ist zu laut, die Rinde zu dick, ich bin zu spät oder zu früh dran und manchmal versteige mich sogar zu einem “Der Baum spricht vielleicht nicht mit jedem”. Falls ich dieses Frühjar noch einen Baum finde, der für mich gluckert, gebe ich dir sofort den Standort durch. Versprochen!
Liebe Grüße
Karolin