Ich hatte vor rund einem Monat im Landart-Artikel schon angekündigt, dass es einen weiteren Blogbeitrag zu diesem Thema geben wird, der sich kleinen Künstlern widmet. Auf die Spur gebracht hatte mich Johanna, die mir eines Abends Fotos eines Baumes zeigte, der vor dem Dom steht. Ich war so fasziniert, dass ich früh am nächsten Tag mit Kamera im Gepäck nach Lübeck gefahren bin. Das wollte ich auch sehen.
Der Ton macht das Gesicht
Ich fand den Baum sofort und war entzückt. Jedes der drolligen Gesichter am Baum ließ mich selbst breiter grinsen. In die rissige Rinde einer alten Eiche waren Tongesichter gedrückt – ganz offensichtlich von Kinderhänden. Ich vermute, die Künstler waren aus der Kita gegenüber oder aus dem Grundschulbereich der Domschule. Nur Kinder sind in der Lage, so unbefangen Löcher in Ton zu drücken, mit kurzen Fingern breite Münder zu ziehen und Stöckchen in Nasenlöchern zu platzieren. Der ganze Stamm war bis in die Höhe von rund anderthalb Metern mit Tongesichtern „beklebt“. Und jedes hatte einen ganz eigenen Charakter.
Baumgesichter: Die Zutaten
Die Idee ist so simpel wie genial und das Ergebnis kann sich sehen lassen. Das schreit geradezu nach Nachahmungstaten. Möchtet ihr selbst oder zusammen mit den Kindern einem Baum ein Gesicht geben, könnt ihr wie die kleinen Domkünstler Ton benutzen. Das Material ist natürlich, schadet dem Baum nicht und lässt sich wunderbar kneten und gestalten. Zum Verzieren eignen sich Stöckchen, Zweiglein, Blätter, Blüten, Gras, Steinchen und Federn. Am besten sucht ihr euch eure Zutaten in der näheren Umgebung des Baumes zusammen. Dann bringt ihr außer dem Ton nichts Fremdes in die Natur ein. Und schon kann es losgehen. Baum auswählen (die Rinde sollte schön strukturiert und nicht zu glatt sein, damit das Kunstwerk gut hält), den Ton fest in die Rinde drücken, ein Gesicht formen und es schmücken. Schwuppdiwupp, ist die Arbeit getan. Und weil das nicht nur fix geht, sondern auch noch Spaß macht, kann der erste Grinser am Stamm gleich noch einen Kumpel zur Gesellschaft bekommen.
Eine Frage der Zeit
Wer auf Kunst mit Wertsteigerung und Ewigkeitscharakter schwört, sollte sich allerdings anderer Materialien und Techniken bedienen. Denn wenn der Ton trocknet und dabei ein Stückchen schrumpft, kann es passieren, dass der eine oder andere Kopf zu Boden fällt. Nicht jeder übersteht das unbeschadet. Ich finde, das macht nichts. Mit der Zeit zerbröselt der Ton am Fuß des Baums, das Blatt zerfällt und die Feder fliegt davon. Und dann ist es wieder so, als hätte nie eine Kinderhand den Baum berührt und ihm ein Gesicht aufgedrückt. Jedenfalls für diejenigen, die den Baum nie anders wahrgenommen haben. Ich habe gesehen, was ich gesehen habe und das Lächeln am Baum bleibt mir sicher noch lange, auch nachdem die letzte Tontafel heruntergefallen ist.
Autorin: Karolin Küntzel
- Plastik in der Arktis - 2. Februar 2024
- Vergissmeinnicht #205 - 30. Januar 2024
- Was ist eine Fossa? - 8. Dezember 2023