Wenn man Affen erforscht, steht man auf einmal vor der Herausforderung: Wer ist wer im Affenstall? Gar nicht so einfach, denn die Affen sehen alle gleich aus. Oder?
Als ich vor ein paar Jahren das Verhalten des Gehaubten Kapuzineraffen im Zoo erforschte, war ich schrecklich neidisch auf die Tierpfleger. Die konnten einfach jeden Affen von seinen Artgenossen unterscheiden. Für mich war das Ganze eher wie dieser Witz mit dem Kartenspiel. Man fragt: „Kennst Du 32 heb auf?“ und wenn dann einer „nein“ sagt, wirft man alle Karten in die Luft. 32 Karten – heb auf. Voll witzig. Am Affengehege kam es mir genauso durcheinander vor.
Tag 1 – Ankunft am Gehege
Die Affen sehen alle gleich aus. Ich weiß ehrlich nicht, wie die Pfleger die auseinander halten können. Zumindest Erich, den Chef der Gruppe kann ich erkennen. Er ist der größte. Der Rest der Affenbande wuselt durcheinander. Manchmal meine ich ein bekanntes Gesicht zu erkennen, aber immer nur kurz. Hurra! Einen Affen erkenne ich an seiner besonderen Sturmfrisur.
Tag 2 – Ohne die Pfleger läuft gar nichts
Oh nein! Es gibt sogar zwei Affen mit Sturmfrisur. Eigentlich sogar noch mehr. Mir schwant, woher der Name „gehaubter“ Kapuziner stammt. Ein Affe ist ein bisschen dunkler als die anderen. Die Revierleiterin bemüht sich sehr. „Das dort ist Elvis“, sagt sie, „sie ist die Mutter von Djojo. Und das da ist Grinsi, die Mutter von Bernd. Das da ist übrigens Bernd. Und Djojo ist der hübsche da.“ Ich bin verwirrt und finde: Die Affen sehen immer noch gleich aus.
Tag 8 – Ich glaube, ich höre auf
Ich durchschaue die Gruppe einfach nicht. Kein bisschen. Es ist hoffnungslos. Ich glaube, ich höre auf. Vielleicht erforsche ich lieber Kühe, die haben wenigstens deutliche Flecken. Spebel ist „der mit dem irren Blick“, sagen die Pfleger. Wenn ich nur wüsste, was „irre“ heißt.
Tag 20 – Erste Erfolge
Aha! Spebel hat einen dunklen Fleck auf der Haut, den man nur sieht, wenn er die Arme hebt. Außerdem ist sein Gesicht dunkel und ziemlich klar umrahmt. Das mir das nicht schon vorher aufgefallen ist! Jetzt wo ich weiß, wie er aussieht, sehe ich ihn plötzlich überall. Ich glaube, es gibt doch noch Hoffnung…
Tag 30 – Es geht doch
Mittlerweile kann ich auch Grinsi und Elvis, mit ihren fast identischen Sturmfrisuren sicher auseinander halten. Die Hautfarbe im Gesicht ist das Erkennungsmerkmal! Blari zu erkennen hat ganz schön lange gedauert. Sie hat besonders flauschiges und helles Fell, fiel mir irgendwann auf. Tobi erkenne ich immer an seinen Drehsprüngen, obwohl ich mir manchmal nicht sicher bin, ob es wirklich Tobi ist, oder eher Einstein. Um das zu sehen müsste ich näher ran. Einsteins Finger steht beim Klettern ab, Tobi’s nicht. Einen schlanken Körperbau haben beide.
Tag 40 – Fotos entstehen
Beim Fotografieren am Gehege war ich unvorsichtig. Ein Affe hat meine Brille geklaut. Selber schuld. Sehr peinlich. „Welcher war’s denn“, fragen die Pfleger und grinsen. Das Schlimme ist: Ich wüsste es wahrscheinlich, aber ohne Brille…keine Chance!
Tag 50 – Eine Kartei für gar nichts
Mittlerweile gibt es eine richtige Identifikationskartei. Alle wichtigen Merkmale sind dort erfasst: Fellfarbe, Gesichtsfarbe, Felllänge, Körperbau, Form und Größe der „Haube“, und, und, und… Dafür haben wir jetzt aber entschieden, dass ich für meine Forschungen lieber keine Individuen erfassen sollte, sondern bloß Altersklassen: erwachsen – halbwüchsig – jung. Na toll. Trotzdem bin ich froh, dass ich „meine“ Affen jetzt so gut kenne.
Tag 60 – Affen sehen alle gleich aus – oder?
Während ich am Gehege stehe und protokolliere läuft eine Familie mit Kindern vorbei. Nichts Ungewöhnliches in einem Zoo, aber hier werde ich hellhörig. „Ich kenne ein neues Spiel“, sagt das Kind, „Mama, kennst Du schon 32 heb auf?“ „Kenn ich“, sagt sie und nötigt das Kind, die Karten wieder einzupacken. Dann lenkt sie gekonnt ab. „Guck Dir mal die Affen an“, sagt sie. „Also ich finde ja, die sehen alle gleich aus.“
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